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Begleitung von Eltern in Übergangsphasen 

erschienen in: "Sozialpädagogische Impulse" 03/2021

In unseren Wohngemeinschaften wird Elternarbeit bereits seit vielen Jahren ein hoher Stellenwert beigemessen.

Im Rahmen eines pädagogischen Qualitätsmanagementsprozesses wurde diese Haltung bereits 2010 im Pädagogischen Leitbild festgehalten. Eine gute Kooperation zwischen Eltern bzw. weiteren für die Entwicklung und Stabilisierung des Kindes signifikante Personen und den Fachkräften einer Wohngemeinschaft wird als eine der Voraussetzungen für eine gelingende Begleitung der Kinder und Jugendlichen verstanden. Dabei stoßen die Fachkräfte aufgrund der zeitlichen Ressourcen oft an Ihre Grenzen. In enger Abstimmung mit der Kinder- und Jugendhilfe wurde in einem Bundesland ein Konzept für die Begleitung des Herkunftssystems erarbeitet, welches durch den Einsatz einer für zwei Wohngemeinschaften zuständigen, unabhängigen Fachkraft diese besonderen Aufgabenbereiche – insbesondere zur Begleitung von Übergängen – abdecken kann.

Zielsetzungen

Die Zielsetzungen der Begleitung werden in jedem Fall individuell auf die Bedürfnisse von den Kindern und Jugendlichen und der Kinder- und Jugendhilfe abgestimmt. Mögliche grundlegende Zielsetzungen können wie folgend lauten:

Die Kooperation der Eltern gilt als einer der entscheidenden Wirkfaktoren bei Hilfeprozessen (vgl. Macsenaere/Esser 2012, S.59ff.) in der stationären KJH und wird im Rahmen aktivierender Elternarbeit unterstützt. Dabei ist die Einhaltung fachlicher Standards wie konsequente und kontinuierliche Zusammenarbeit ein zentraler Gelingensfaktor (vgl. Moos/Schmutz 2006, S 17). Die Begleitung des Herkunftssystems fokussiert dabei vor allem auf die Perspektive der Eltern und deren Unterstützung und Beratung. Frühzeitige Aktivierung von Eltern und wichtigen Bezugspersonen stellt eine wichtige Voraussetzung für eine dauerhafte Zusammenarbeit mit den betreuenden sozialpädagogischen Teams dar.

Eltern sind als Bezugspersonen einzigartig für ihre Kinder und verlieren diese Bedeutung nicht durch eine Fremdunterbringung. Auch mit dem Einzug des Kindes in eine Wohngemeinschaft soll die Beziehung zwischen Eltern und Kind nicht abgebrochen, sondern in anderer Form gelebt werden. Folgende Fragestellungen in Bezug auf diese fremde, mitunter verunsichernde Situation werden in der Begleitung thematisiert:

  • Wie können Eltern mit ihrer veränderten Lebenssituation umgehen? Wie kann das Familienleben neu gestaltet werden?
  • Wie können sich die Mitglieder gut als Familie begreifen?
  • Wie können sich die Eltern in einer konstruktiven Form mit ihren Anliegen Gehör verschaffen?

Interne Mitarbeiterbefragungen haben einerseits untermauert, wie wichtig aktivierende Elternarbeit für den Betreuungsverlauf ist und andererseits determinierende Faktoren einer solchen hervorgehoben: Neben begrenzten Ressourcen in den Wohngemeinschaften wirken auch fehlende Motivation der Eltern und ein als konkurrenzhaft empfundenes Verhältnis von Eltern und Betreuungsteam einer guten Zusammenarbeit entgegen. Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, ehestmöglich eine von Transparenz und Vertrauen geprägte Gesprächsbasis zu etablieren. In der Begleitung des Herkunftssystems werden die Fragen und Sorgen der Eltern ernstgenommen, Hilfestellung, Entlastung und Auseinandersetzung mit eventuellen Schuldgefühlen angeboten: "Die reflektierende Auseinandersetzung mit der emotionalen und sozialen Dimension der Fremdunterbringung schafft ein Vertrauensverhältnis und trägt zum gegenseitigen Verstehen bei" (Jugendheim Mahrbach 2019).

Damit Kinder und Jugendliche nicht mit Loyalitätskonflikten zwischen Elternhaus und Wohngemeinschaft zu kämpfen haben, muss eine konstruktive Zusammenarbeit auf Erwachsenenebene dauerhaft gesichert werden. Dies kann mitunter "Übersetzung" zwischen den Lebenswelten Wohngemeinschaft und Herkunftssystem erforderlich machen. Bei Bedarf kann eine Vermittlung zwischen den Beteiligten angeboten werden, um den Kindern bzw. Jugendlichen zu ermöglichen, "die vorhandenen positiven pädagogischen Ressourcen von Heimerziehung sowie die Stärken und Fähigkeiten von Familien nutzen zu können" (Bauer 2019, S. 14).

Es ist es nicht Aufgabe der Begleitung, Rückführungen anzubahnen oder darauf hinzuarbeiten. Allerdings spielen die Stärken und Ressourcen des Herkunftssystems im gesamten Begleitungsprozess eine wichtige Rolle und bilden die Arbeitsbasis, falls eine Rückführung im Rahmen des Hilfeplanprozesses angestrebt wird. Das Ansetzen an diesen Kompetenzen macht einen langfristig vorbereiteten, fließenden Prozess möglich.

Haltung & Herangehen

Zunächst werden durch die Elternfachkraft Bedürfnisse und Ziele der Eltern erhoben. Übersetzt in die spezifische Situation von Familien, deren Kinder in Wohngemeinschaften betreut werden, kann dies vor allem bedeuten:

  • wissen über den Grund und das Ziel der Betreuung im Rahmen der vollen Erziehung
  • verstehen der Zusammenhänge zwischen einer guten Kooperation mit der Wohngemeinschaft oder der KJH und einer gelingenden Betreuung
  • erkennen der Chancen der Betreuung für die Familie
  • wissen um Möglichkeiten, was Eltern konstruktiv zu einer möglichen Rückführung beitragen können oder sollen bzw. müssen
  • nutzen der Partizipationsmöglichkeiten im Hilfeplanprozess
  • Bewusstsein für die eigene Elternrolle: Förderung von Beziehung, Erziehung und Verantwortung

Wichtige Themen der Bezugspersonen können dabei gleichermaßen erfasst werden wie die Anliegen der Kinder und Jugendlichen sowie der Kinder- und Jugendhilfe.

In Familien, welche bereits andere Hilfen und Unterstützungsangebote in Anspruch genommen haben, gilt es, die darüber erworbenen Ressourcen und Fähigkeiten aufzugreifen und weiterhin zu unterstützen. Darauf wird schon zu Beginn der Anbahnungsphase und im Austausch mit der Kinder- und Jugendhilfe ein besonderes Augenmerk gelegt, um über die Hauptbetreuungsphase bis hin zum Abschluss Kontinuität in den Zielsetzungen und pädagogischen Herangehensweisen gewährleisten zu können.

Das neue Projekt wird vom Kompetenzmanagement der Pro Juventute begleitend evaluiert. Dabei soll zum einen im Rahmen von Workshops mit der Elternfachkraft, den Teamleitungen der Wohngemeinschaften und fallweise relevanten Akteur*innen die einzelnen Schritte reflektiert und auf zentrale Themen aus dem Konzept hin diskutiert werden. Zum anderen dienen im Vorfeld erhobene Schwerpunkte aus dem Konzept als Ausgangsbasis für die Ergebnisevaluierung.

Evaluierungsergebnisse

Kontaktaufnahme

Nach erfolgter Information aller Eltern mit einem Elternbrief werden interessierte Eltern persönlich durch die Teamleitungen der Wohngemeinschaften über die Rahmenbedingungen der Begleitung informiert. Diese erfolgt auf unterschiedliche Weise je nach Möglichkeit: telefonisch, per Videokonferenz, persönlich bei Besuchen zu Hause, in den Wohngemeinschaften oder im Rahmen von Terminen mit Sozialarbeiter*innen. Die Vorbereitung und teilweise Begleitung durch die Teamleitung werden dabei als sehr hilfreich erlebt.

Erarbeitung von Zielvereinbarungen

Für den Beziehungsaufbau zu Beginn ist ein niederschwelliger Zugang wichtig. Den Eltern wird die Begleitung als freiwilliges, kostenfreies Angebot vermittelt, das in erster Linie auf ihre Bedürfnisse und Perspektiven ausgerichtet ist. Im Austausch und im gemeinsamen Tun mit den Eltern ergeben sich bald erste Zielsetzungen für die gemeinsame Arbeit, bzw. werden auch von den Eltern selbst Ziele und Bedürfnisse artikuliert, die für die weitere Arbeit wichtig sind, wie beispielsweise eine gute Gestaltung der gemeinsamen Zeit mit den Kindern bzw. Jugendlichen während der Heimfahrten.

Zusammenarbeit mit den Wohngemeinschaften

Für die positive Gestaltung der Zusammenarbeit ist vor allem der Austausch zwischen Elternfachkraft und den Teamleitungen wichtig. Hier sind immer wieder auch kurzfristige Abstimmungen zur Informationsweitergabe und zur Planung der konkreten Vorgangsweise notwendig. Wesentlich für eine gelingende Zusammenarbeit ist der achtsame Umgang mit den Themen der Transparenz bzw. der Informationsweitergabe. So wird von der Elternfachkraft mit den Eltern im Vorfeld besprochen, welche Informationen aus ihrem gemeinsamen Austausch und Tun an die Wohngemeinschaft und an die Kinder- und Jugendhilfe weitergegeben werden und warum.

Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendhilfe

Der Austausch mit der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere hinsichtlich des Hilfeplanprozesses, liegt wie üblich bei der Wohngemeinschaft und der Teamleitung. Die Elternfachkraft kann bei Bedarf zu Hilfeplangesprächen hinzugezogen werden, vor allem zu Beginn von Betreuungsverhältnissen, bei wichtigen (Übergangs-)Phasen oder kritischen Zeiten im Begleitungsprozess. Ein fallbezogener Austausch der Elternfachkraft mit den Sozialarbeiter*innen kann ergänzend möglich sein.

Zusammenarbeit mit Systempartner*innen

In der Kontaktaufnahmephase wird primär auf die Eltern und wichtigen Bezugspersonen fokussiert.

Methodische Umsetzung

Für den Aufbau von Vertrauen und Beziehung liegt in dieser ersten Phase ein Schwerpunkt auf Kommunikation, aktivem Zuhören, interessiertem Nachfragen. Es konnten aber auch bereits Methoden aus der Biographiearbeit wie z.B. gemeinsames Arbeiten am Genogramm mit den Eltern umgesetzt werden.

Resümee

Unser neues Konzept der Begleitung des Herkunftssystems richtet sich als flankierendes Angebot der Betreuung im Rahmen der vollen Erziehung an die wichtigsten Bezugspersonen und das soziale Netz von Kindern und Jugendlichen in Wohngemeinschaften. Gestützt auf den ersten erfreulichen Evaluierungsergebnissen trägt es somit maßgeblich zu einer gelingenden, partizipativ gestalteten Zusammenarbeit zwischen Eltern, Kindern bzw. Jugendlichen und den Wohngemeinschaften bei.

Über die Autorinnen

Mag.a Andrea Scharinger

  • Wirtschaftspädagogin, Supervisorin und Erwachsenenbildnerin
  • seit 2013 pädagogische Geschäftsführerin von Pro Juventute
  • Mitbegründerin der Sozialen Studiengänge an der FH Linz und Studiengangsleiterin
  • langjährige Führungs- und Entwicklungserfahrung in Social-Profit Unternehmen

 

Mag.a Nanda Brandauer-Doppler

  • Studium der Psychologie in Salzburg
  • klinische und Gesundheitspsychologin
  • laufende Ausbildung in Coaching
  • seit 1994 in unterschiedlichen Wohngruppen und Kriseneinrichtungen tätig
  • seit 1999 bei Pro Juventute als Teamleitung
  • seit 2012 als pädagogische Leitung der stationären Angebote in Salzburg und Oberösterreich

Literatur

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