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"Die schönste Aufgabe"

75 Jahre Pro Juventute: Interview mit unserer Geschäftsführung

Seit drei Jahren arbeiten Susanne Molnar und Andrea Scharinger als Geschäftsführerinnen von Pro Juventute zusammen. In der sozialpädagogischen Wohngemeinschaft Bergheimer Straße (Salzburg) führten wir ein Gespräch über den hohen Wert von Stabilität, sinnerfüllte Arbeit und warum Zutrauen eine wichtige Grundhaltung in der Kinder- und Jugendhilfe ist.

Sicherer Hafen

Wenn die Gründer*innen von Pro Juventute heute auf diese Organisation blicken würden, worauf wären sie wohl besonders stolz?

Andrea Scharinger: Ich glaube, die freuen sich, dass die Philosophie der familienähnlichen Wohngemeinschaften weiterhin Bestand hat. Da hatten sie damals schon eine geniale Idee, denn Wohngemeinschaften wird es immer brauchen.

Susanne Molnar: Bisher haben wir rund 6.000 Kinder betreut, ihnen einen sicheren Hafen gegeben, sie gestärkt und auf ein eigenständiges Leben vorbereitet. Wir leben immer noch die gleichen Ziele wie vor 75 Jahren.

Und wie blicken Sie selbst auf Pro Juventute?

Molnar: Wir sind ein sicherer Ort und geben Stabilität.

Scharinger: Ja genau. Wir sind für Kinder und Jugendliche da – das ist der stabile Anker, genau wie er in unserem Gründungsstatut festgeschrieben ist. Gleichzeitig entwickeln wir uns als agile Organisation laufend weiter, weil wir uns an Veränderungen in der Kinder- und Jugendhilfe anpassen.

Was bedeutet das konkret, Stabilität geben?

Scharinger: In unseren Wohnangeboten geben wir den Kindern wieder ein Zuhause. Sie müssen nicht von einer Kinder-WG in eine Jugend-WG wechseln, sondern sie sind in der jeweiligen Wohngemeinschaft beheimatet.

Molnar: Deshalb ist es ein großer Vorteil, dass die Häuser in unserem Eigentum sind. Damit schaffen wir Verlässlichkeit für Menschen, die in ihrem jungen Leben schon oft Umbrüche erfahren mussten. Wir achten auch bewusst auf eine langjährige Zusammenarbeit mit unseren Mitarbeiter*innen.

Kultur des Hinschauens

Wenn Sie die Entwicklung seit 1947 betrachten, was waren da besonders wichtige Schritte?

Scharinger: Dass wir ab den 1990ern die Betreuung mit Pflegeeltern in sozialpädagogische Wohngemeinschaften umgewandelt haben. Damit sind Professionalisierung, höhere pädagogische Qualität und klare Ausbildungsanforderungen verbunden.

Molnar: Vor zwanzig Jahren gab es eine schwierige wirtschaftliche Phase. Doch diese Krise hat ein Umdenken bewirkt: Zum Schutz der uns anvertrauten Kinder tragen wir die Verantwortung, dass wir finanziell gut aufgestellt sind.

Pro Juventute musste also aus Fehlern lernen?

Scharinger: Leider hat es auch pädagogische Krisen gegeben. Heute ist uns die Kultur des Hinschauens wichtig, damit wir die Mitarbeiter*innen und die Vorgänge in unseren Angeboten gut begleiten. Wir haben ein pädagogisches Qualitätsmanagement entwickelt. Daher stellt auch die aktuelle Phase unserer Organisationsentwicklung einen zentralen Meilenstein dar.

Die Geschäftsführerinnen Susanne Molnar (li.) und Andrea Scharinger (re.) leiten die Geschicke von Pro Juventute.
Veränderung bewirken

Molnar: Als Organisation wachsen wir enger zusammen und geben den Mitarbeiter*innen an unseren regionalen Standorten bessere Unterstützung – transparent und lösungsorientiert.

Was ist eigentlich Ihr persönlicher Antrieb für Ihre Tätigkeit?

Molnar: Die Menschen leisten großartige Arbeit bei Pro Juventute, dafür trage ich großen Respekt in mir. Für mich könnte es kein anderes Unternehmen sein.

Scharinger: Ich will für Kinder und Jugendliche Rahmenbedingungen schaffen für ein besseres Leben, denn sie sind unsere Zukunft.

Molnar: Ich bin sicher, dass wir einen Anteil an der Zukunft unserer Gesellschaft haben. Unser Tun bewirkt Veränderung.

Vertrauen und Verlässlichkeit

Welche Werte sind Ihnen dabei besonders wichtig?

Scharinger: Mir ist wichtig, unseren Mitarbeiter*innen Vertrauen und Zutrauen zu geben, damit sie die Kinder gut begleiten können. Umgekehrt brauchen auch wir das Vertrauen, dass wir die richtigen Entscheidungen für das Unternehmen treffen und einen guten Weg gehen.

Molnar: Verlässlichkeit hat dabei ebenfalls einen hohen Stellenwert: Uns werden junge Menschen anvertraut. Für diese Kinder und Jugendlichen hat es eine besondere Bedeutung, dass sie sich auf uns verlassen können. Und diese Verlässlichkeit brauchen natürlich auch alle unsere Mitarbeiter*innen.

Können Sie diesen Anspruch immer erfüllen?

Scharinger: Wir nehmen das Spannungsfeld aus Pädagogik und Wirtschaftlichkeit bewusst wahr. Wir sehen beide Bereiche und managen das gemeinsam.

Molnar: Andrea Scharinger und ich verbringen viel Zeit miteinander, um Themen fair und korrekt zu behandeln. Wir wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können.

"Kinder und Jugendliche zu begleiten ist die schönste Aufgabe, die ich mir vorstellen kann", sagt Andrea Scharinger.
Miterleben, was gelingt

Sie scheinen Ihre Arbeit gern zu machen. Was ist besonders schön daran?

Molnar: Für mich ist es die Sinnstiftung – einfach das, was Pro Juventute tut. Wir haben immer das Ziel, die Kinder in ein schönes Leben zu begleiten. Das spüre ich auch bei unseren Mitarbeiter*innen in der Verwaltung. Für die ist das nicht irgendein Job – da ist immer ein größerer Sinn dahinter.

Scharinger: Ich weiß, aus welchen Situationen Kinder zu uns kommen und darf miterleben, was dabei gelingt. Das ist einfach schön.

Und welche Situationen erleben Sie als schwierig?

Scharinger: Wenn unsere Bemühungen scheitern und eine Begleitung nicht gelingt. Auch das kommt vor – leider. Dann fällt es mir schwer, das zu akzeptieren.

Eine starke Organisation

Molnar: Wir haben die Aufgabe, Entscheidungen im Sinn der Organisation zu treffen – und da stehe ich voll dahinter. Manchmal bringt das aber nicht für alle Beteiligten einen Vorteil. Solche Situationen finde ich schwierig.

Wir erleben gerade eine instabile Zeit. Was bedeutet das für Pro Juventute?

Molnar: 2022 ist schon speziell für uns. Wir nehmen dieses 75-jährige Bestehen bewusst wahr. Aber nach zwei anstrengenden Jahren für alle bei uns schnaufen wir gerade auch wieder etwas durch. Corona hat gezeigt, wie stark unsere Organisation ist.

Inwiefern?

Scharinger: Da sind wir in erster Linie unseren Mitarbeiter*innen dankbar, die Außerordentliches geleistet haben. Außerdem hat die großartige Unterstützung unserer Spender*innen und Sponsor*innen vieles ermöglicht.

Molnar: Wir haben erlebt, wie gut die Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Bereich funktioniert. Ob es um Vergütungen geht oder darum, die richtigen Ansprechpersonen zu erreichen.

Scharinger: Auch vom Kuratorium und Vorstand spürten wir das Vertrauen, dass alles gut gehen wird.

"Am schönsten wäre eine Gesellschaft, in der es Pro Juventute nicht mehr braucht", so Susanne Molnar.
Weiterhin mutig sein

Angenommen, Pro Juventute hätte zum Jubiläum einen einzigen Wunsch frei, welcher wäre das?

Molnar: Am schönsten wäre natürlich, wenn wir in einer Gesellschaft leben, die Pro Juventute nicht mehr braucht.

Scharinger: … und bis es soweit ist, habe ich einen anderen Wunsch: Ich möchte, dass wir in der Bundeshauptstadt vertreten sind. Pro Juventute arbeitet jetzt in sechs Bundesländern. Wien wäre ein weiterer wichtiger Ort für uns.

Und was wünschen Sie der Organisation zum Geburtstag?

Scharinger: Dass wir gesellschaftliche Entwicklungen gut wahrnehmen und unsere Angebote entsprechend anpassen.

Molnar: Ich wünsche Pro Juventute weiterhin den Mut, Kreatives und Neues zu wagen.

Angebote weiterentwickeln

Auf welche Veränderungen in der Kinder- und Jugendhilfe müssen wir uns jetzt einstellen?

Scharinger: Zwischen den Bundesländern gibt es bei der Gruppengröße deutliche Unterschiede – darüber müssen wir in Österreich nachdenken. Auch die Arbeit mit den Eltern nimmt zu. Es ist uns sehr wichtig, dass wir den Kontakt zu den leiblichen Eltern pflegen.

Molnar: Die Sozialraumorientierung gewinnt an Bedeutung. Wir wollen die Eltern stärker integrieren und uns noch mehr vernetzen mit lokalen Vereinen, mit den Schulen etc. Dafür braucht es auch die Bereitschaft und die Mittel der öffentlichen Hand.

Was soll sich deshalb bei Pro Juventute entwickeln?

Scharinger: Wir werden unsere mobilen Angebote, flexible Familienhilfen und die Elternbegleitung weiter ausbauen. Neben unseren sozialpädagogischen Wohngemeinschaften sind das die zentralen Konzepte der Zukunft.

Molnar: Damit sind auch Chancen für Personalentwicklung und Mitarbeiter*innenbindung verbunden, weil wir zusätzlich zum Turnusdienst weitere Möglichkeiten schaffen.

"Du bekommst viel zurück"

Was würden Sie einem jungen Menschen sagen, der sich für eine sozialpädagogische Ausbildung interessiert?

Scharinger: Dass die Begleitung von Kindern und Jugendlichen zu den schönsten beruflichen Aufgaben gehört, die ich mir vorstellen kann.

Molnar: Du bekommst extrem viel zurück, auch wenn es nicht immer ganz einfach ist. Also am besten bei uns melden und einfach einmal reinschnuppern.

In den Angeboten von Pro Juventute gibt es nun auch Tandem-Teamleitungen. Was ist eigentlich das Erfolgsrezept von Ihnen als Führungsduo?

Scharinger: Unser gemeinsames Werteverständnis erleichtert uns die Zusammenarbeit. Wir nehmen unsere Aufgabe generalistisch wahr und wir mögen einander.

Molnar (lacht): Das kann ich nur so zurückgeben. Ich bin dankbar für die neuen Inputs, die ich durch unsere Abstimmungen erhalte. Wir vertrauen einander.

"Das haben mir die Kinder beigebracht"

Angenommen, Sie trinken mit einer Person einen Kaffee, die bei Pro Juventute aufgewachsen ist. Was macht diese Begegnung unvergesslich für Sie?

Molnar: Wenn mir dieser erwachsene Mensch vermittelt: Ich habe ein schönes Leben.

Scharinger: Ja, denn das ist das Wichtigste: gute familiäre Beziehungen, ein Arbeitsplatz, eine Wohnung.

Noch etwas ganz anderes: Was haben Sie von den Kindern und Jugendlichen bei Pro Juventute für Ihr eigenes Leben gelernt?

Scharinger: Ich bin zutiefst beeindruckt davon, mit welcher Resilienz sie scheinbar aussichtslose Situationen so positiv überwinden.

Molnar: Sie haben den stetigen Blick nach vorne. Das Dranbleiben, Schritt für Schritt – das haben mir diese Kinder beigebracht.

 

Interview: Martin Brandstötter
Fotos: Michael Grössinger

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